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Phillips Universität Marburg 
Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften 
WS 1999/2000 
Pro-seminar: Einführung in die Medienwissenschaft 
Leitung: Günther Giesenfeld 
„Theorie der Montage“ 
Konrad Licht 
9.12.1999

Hausarbeit zur Theorie der Montage

 

von 
Konrad Licht 
Magisternebenfach Medienwissenschaft 
Semesteranzahl: 01 
Fuchspass 28 Zi.227 
35039 Marburg 
9.12.1999

Inhalt

1. Allgemeines 
1.1 Geschichte 
1.2. Definition 
1.3. Möglichkeiten der Montage 
1.4. Funktion der Montage 

2. Beziehungen zwischen 2 shots 
2.1. Grafische Beziehung 
2.2. Rhythmische Beziehung 
2.3. Zeitliche Beziehung 
2.4. Räumliche Beziehung 

3. Decoupage Classique 
3.1. Regeln der Decoupage classique 
3.2. Zeitablauf der Decoupage classique 

4. Alternativen 
4.1. Montage des Autorenfilms 
4.2. grafische und rhythmische Alternativen 
4.3. räumliche und zeitliche Alternativen 
4.4. Sergei Eisenstein 

1. Allgemeines 

1.1 Geschichte 

Eine der ersten verwirklichten Montage in einem Film ist bereits im Jahr 1895 angesiedelt. In „The execution of Mary Queen of Scots“ ließ man, dank eines Schnitts, eine Frau scheinbar verschwinden. In frühen Jahren, bestand ein Film meist aus nur einem shot. Experimentalfilmer, wie Andy Warhol bauen manchmal heute noch ihre Filme ohne Montage auf. Die ehemaligen Fotografen Smith und Williamsan gelten als die Entdecker der Montage. Smith verwirklichte um 1900 in „The Attack on a China Mission“ eine Urform des crosscutting. Bedeutung schrieb man der Montage erstmalig 1901 zu. Aufgrund einer Großaufnahme einer Alarmklingel in Porters Film „The life of a Fireman“ löste ein Filmemacher erstmalig eine gezielte Emotion im Zuschauer aus. All diese Vorarbeit verarbeitete Griffith in seinem rassistischen Film „The birth of a nation“ , worin erstmalig ein rhythmischer Schnitt eingesetzt wurde um eine Geschichte dem Publikum auf bestmögliche Art und Weise zu erzählen und es gleichzeitig in die Geschichte einzubeziehen. Die Montage galt in ihren Ursprüngen als eine produktive Technik. Durch die Entwicklung des Tonfilms schenkte man der Mise en scene für eine gewisse Zeit mehr Aufmerksamkeit, jedoch wurde der Film schließlich, dank der Montage, als eine Kunstform angesehen. 

1.2 Definition 

Das Aneinanderreihen von einzelnen Filmaufnahmen (shots) bezeichnet man in Frankreich als „montage“. Im Englischen verwendet man dafür die Begriffe „editing“ oder „cutting“. Die deutsche Filmsprache bildete den Begriff „Schnitt“ heraus. Vereinfacht spricht man von der Montage, wenn man verschiedene Kamerablicke oder Bildobjekte kombiniert oder fragmentiert. Diese am meisten diskutierte und beschriebene Filmtechnik stellt den Schlüssel zu filmischen Konstruktion und Wirkung dar. Sie ist das Prinzip des kontrollierten Kombinieren und Ordnen der Filmelemente, und prägt deutlich den mehr oder weniger individuellen Filmstil, welcher vorrangig an der Schnittfrequenz festgemacht wird.
Die Montage dient zur Überwindung physischer & physiologischer Grenzen der Aufnahme. Sie verdeutlicht zeitliche Bezüge, bezieht das Publikum in die Filmthematik ein, indem es die Gefühle des Rezipienten manipuliert, verdeutlicht rhythmische Ordnung und artikuliert den Erzählakt. 

1.3 Möglichkeiten der Montage 

Bei der Montage finden zwei Prozesse statt: Zwei Aufnahmen werden zusammengefügt und deren Länge wird bestimmt. Für die Aneinanderreihung der Aufnahmen stehen wiederum zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Aufeinanderfolgen und Übereinanderlegen, durch Mehrfachbilder oder Überblendungen. Ein einfacher fade drückt meistens den Wechsel der Szenerie und der Zeit aus. Der Film ermöglicht unzählige Versionen, Bilder ineinander überfließenzulassen. Die Überblende, die Überlagerung von Auf- und Abblende verbindet zwei Bilder auf deutlichster Weise. Sie stellt linguistisch betrachtet wohl das Komma des Films dar. Christian Metz bezog außerdem die Montage „ohne Schnitt“ mit ein. Der Schwenk verbindet, nach Metz, zwei Bilder ebenso, wie der harte Schnitt, in welchem ein Bild einem anderen folgt. 
Außerdem ist noch das „Einfrieren“ des Bildes zu erwähnen, welches Francois Truffaut in „Les quatre cents coup“ populär gemacht hat. 

1.4 Funktion 

Die Montage beinhaltet die dialektische Funktion des Films. Zwei aufeinanderfolgende Aufnahmen erhalten eine gemeinsame Bedeutung, geschaffen durch den Zusammenhang der beiden shots. Diese Bedeutung führt zur filmischen Realität und kreiert den Erzählvorgang. Viele kurze Aufnahmen erzählen in kurzer Zeit dem Zuschauer gewisse Informationen. Dies stellt einen besonderen Aspekt der Montage dar, den Hitchcock in der Duschszene von „Psycho“ populär werden ließ. Die Montage wird auch benutzt um die Zeitlinie des Films zu krümmen, doch darauf gehe ich später ein. Den interessantesten Aspekt des Schnitts stellt der direkte Anspruch auf die Psyche des Zuschauers dar. Der Rezipient füllt entstehende Lücken mit seinen bewußten oder unbewußten Gedanken aus. Er vereinigt alle örtlichen Disperanzen und ist in der Lage an den verschiedensten Orten zu ein und der selben Zeit zu „sein“. Dementsprechend passen Filmemacher die Montagetechnik der Psyche des Zuschauers an und zeigt dem Publikum, was es zu sehen begehrt. 


2. Beziehungen zwischen zwei shots 

2.1 Grafische Beziehung 

Die Montage entwickelt Beziehungen durch Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten bezüglich den bildlichen Qualitäten der einzelnen shots. Dabei sind sowohl die Aspekte der Mise en scene (Lichtgestaltung, Setaufbau, Bildsetzung, Kameramobilität) als auch filmischen Qualitäten (Fotografie, Kameramobilität, Bildsetzung) grafische Elemente. Jeder shot beinhaltet diese Elemente und der Schnitt stellt Verbindungen zwischen ihnen her. Dadurch entwickelt der Filmemacher entweder eine Wirkung der Kontinuität oder der Kontraste. 
Durch Wiederholung einer Handlung, einer Form oder der Duplizierung der Mise en scene kann ein Regisseur durch einen match cut zwischen zwei Szenen Bezug herstellen. Einer der eindrucksvollsten match cuts, oder auch match on movement, wurde in Kubricks „2001“ verwirklicht. Ein in der Luft wirbelnder, prähistorischer Knochen wird mit einer rotierenden Raumstation im All in Verbindung gesetzt. Dabei betont Kubrick die Entwicklung der menschlichen Fähigkeit das Werkzeug zu benutzen, indem er die Vorgeschichte und die Zukunft der Menschen verknüpft. 

2.2. Rhythmische Beziehung 

Das Kino wird gelegentlich als „music of the image“ bezeichnet, obwohl der Filmrhythmus nichts mit dem musikalischen Rhythmus gemein hat. Das Verhältnis der Längen zweier shots beschreibt die rhythmische Beziehung unter den beiden shots. Der Filmemacher legt die Länge jedes shots fest und prägt somit das gesamte Filmtempo. Damit bestimmt er die Zeit die wir haben, um das was wir sehen zu begreifen und darüber nachzudenken. Häufig gilt hierbei die Einheit frame als Maß für die Zeit. Ein shot kann die minimale Länge von einemframe haben, was 1/24 einer Sekunde gleichkommt oder aber unzählige framesbeinhalten und dementsprechend mehrere Minuten dauern. Der wichtigere Faktor bezüglich der Längenwirkung eines shots ist jedoch nicht die Dauer, sondern die Qualität des shots. Je intensiver, actiongeladener ein shot aufgebaut ist, um so kürzer wirkt er. Durch ihre rhythmische Beziehung dienen die Shotlängen dem Filmemacher als Quelle für Suspense oder Überraschung, z.B. durch unerwartete schnelle Bilderfolge. Einen besonderen rhythmischen Wert hat dabei die spannungserzeugende beschleunigte Montage inne. Die rhythmische Montage wurde in den Zwanzigern von der russischen Montage Schule, den französischen Impressionisten und vom Hollywoodkino entwickelt. 

2.3 Zeitliche Beziehungen 


Im Film kann die Zeit nicht benannt, sondern nur impliziert werden. Unser allgemeines Zeitempfinden beruht zum großen Teil auf unserer visuellen Wahrnehmung. Beispielsweise ist uns bewußt, dass eine gewisse Zeitspanne verronnen ist, wenn eine Blume verblüht. Der Veränderungsgrad in den Bildeinstellungen deutet eine Zeitüberbrückung an. Dabei wird auf die Erfahrung des Zuschauers gesetzt. Der Filmemacher kann die Dauer von Geschehnissen verändern, indem er temporale Ellipsen kreiert. Dabei dauert das Gezeigte auf der Leinwand nicht so lange, wie es tatsächlich Zeit in Anspruch nehmen würde. Der Filmemacher verwirklicht dies durch Überblendungen, Zwischenbilder oder indem er Geschehnisse aus dem Bild verschwinden, und im nächsten shot in das leere Bild kommen läßt. Dies kann beispielsweise bei einer Treppenszene verwirklicht werden. Dabei kann der Regisseur die Zeit, die die Figur benötigen würde, um die Treppenspanne x zu ersteigen auslassen, indem er direkt vom Treppenanfang A, nachdem die Person aus dem Bild verschwunden ist zu dem leeren Treppenende-Bild B schneiden, in welches sich die Person dann hineinbegibt. Andererseits vermag die Montage auch ein Geschehen zeitlich zu dehnen. Dreht sich eine Person, beispielsweise, in einem shot um und in dem nächsten shot führt sie ihre Bewegung noch immer fort, nennt man diese Montagetechnik overlapping editing. Desweiteren können durch Flashbacks und Flashforwards Veränderung im Storyplot erscheinen, wobei dem Zuschauer Geschehnisse außerhalb der Storyreihenfolge sichtbar werden. Legt der Filmemacher keine Rücksicht auf Chronologie der Abfolge der shots, so tritt die Schachtelmontage (involuted montage) ein. 

2.4 Räumliche Beziehungen 

Die Montage ist eine weitverbreitete Technik für die Konstruktion des filmischen Raumes. Dabei ist eine räumliche Manipulation, welche auf Lev Kuleshov beruht, ebenso üblich . Der Russe Lev Kulesov erkannte dank seiner experimentellen Forschung, dass der Zuschauer seine Gedanken in den Film, den er betrachtet projiziert und dadurch Zusammenhänge gebildet werden. Der „Kuleshov effect“ bedeutet, daß Zusammengeschnittenes Filmmaterial ein räumliches Ganzes im Kopf des Zuschauers erzeugt. Dies wird zum Beispiel durch den eyeline matcherreicht, indem ein Schauspieler etwas erblickt und wir darauf hin, durch einen Großaufnahmenschnitt, das betrachten, was seine Aufmerksamkeit erregt hat. Der Zuschauer bildet sich ein, dass das, was der Schauspieler erblickt, in seiner näheren Umgebung sein muß. Doch in Wahrheit kann die Aufnahme des Objektes zeitlich und räumlich vollkommen unabhängig von der Aufnahme des Schauspielers gedreht wurden sein. Das selbe Prinzip gilt auch für die Schuß-Gegenschuß Einstellung. Eine weitere Möglichkeit den Film zu manipulieren stellt der cheat cut dar. Dabei werden Veränderung im Bild während des Schnitts vorgenommen, die der Zuschauer nicht bemerken soll. Dies tritt zum Beispiel ein, wenn ein Liebespaar in der Totale einen hohen Größenunterschied aufweist. Schneidet der Filmemacher nun in die Halbtotale, so kann er den Unterschied reduzieren, da die narrative Funktion der Montage diesen Betrug überdeckt. 

Ein besondere Schnittechnik stellt das räumlich parallel laufende cross cuttingdar. Dabei wird zwischen zwei zeitlich identischen, jedoch räumlich getrennten, verbundenen oder unverbundenen Erzählungen hin- und hergeschalten. Das cross cutting bindet diese beiden Aktionen und gibt dem Zuschauer räumliche, zeitliche und erzählerische Informationen, welche die Figuren der Szenen nicht haben. Diese Schnittmethotik wird gerne bei Verfolgungsjagden verwendet, wobei eine rhythmisch beschleunigende Schnittverwendung besonders dramatisch wirkt. Die eigentliche Funktion des cross cutting bleibt jedoch, das zwei Aktionen an zwei Orten zu einer Zeit erzählt werden. 

3. Découpage Classique 

In der Mehrzahl der Filme ist die Funktion der Montage vorranging narrativ. Dagegen stehen Filmemacher wenn sie expressive Montage in ihren Filmen verwirklichen. Dabei produziert ein Aufeinanderprallen zweier Einstellung einen ästhetischen Schock beim Zuschauer. 

Obwohl es unbegrenzte Möglichkeiten gibt einen Film zu konstruieren, beherrscht dennoch eine erzählerische Schnittmethotik die Filmwelt: das „Continuity Editing“ – oder anders benannt die „Découpage Classique“. Diese Montagevariante des klassischen Hollywoodstils bildete sich in den Dreißigern und Vierzigern, und ihr Hauptziel war eine Wirkung von unscheinbarer Flüssigkeit und Komprimiertheit zu erzielen. Sie soll die reale Welt mit ihren physikalischen Kontinuitäten rekonstruieren und somit dem Zuschauer eine Wirklichkeitsillusion vermitteln. Die treue und objektive Wiedergabe der Realität führte zur Transparenz des Films. Während der Zuschauer einen Film betrachtet, soll ihn nichts daran erinnern, dass er nur einen Film sieht..Die Anhänger der Découpage Classique bezeichneten alternative Schnittmethoden als betrügerisch und respektlos gegenüber der dramatischen Filmkontinuität. Robert Rossellini formulierte einst: „Things are. Why manipulate them?“ 

3.1. Regeln der Découpage Classique 

Grundaufgabe des klassischen Schnitts ist es unauffällig zu sein und von sich selber abzulenken, um die Aufmerksamkeit voll und ganz auf die Geschichte des Films zu lenken. Das wird erreicht, indem die Grafik von Schnitt zu Schnitt ähnlich bleibt, die Figuren im Bild ausbalanciert werden, die allgemeine Lichtstimmung konstant bleibt und das Hauptgeschehen des Films in der Bildmitte angesiedelt ist. Das Bild soll nicht begrenzt wirken, so daß der Zuschauer nicht das Gefühl bekommt, das er nur einen Ausschnitt des ganzen zu sehen bekommt. Deswegen dürfen Personen nicht aus dem Bildrand von der Leinwand verschwinden, sondern durch eine Tür, oder ähnliches. Eine Sequenz beginnt mit einem „establishing shot“ der den Ort und die Requisiten vorstellen soll. Danach wird das Geschehen dem Zuschauer immer näher gebracht und isolierter gezeigt. Nachdem die Handlung abgeschlossen ist, soll sich der Zuschauer dank einem „reestablishing shot“ in der Umgebung wieder orientieren können. Je weiter die Aufnahme ist, desto länger dauert sie auch für gewöhnlich. Der Aufbau des Films gleicht dem Wahrnehmungsvorgang des menschlichen Auges: nach der Einführungseinstellung werden dem Zuschauer die Details vor die Augen geführt. Der filmische Handlungsaufbau wird durch steigende und fallende Handlung realisiert. Demzufolge folgt, nach klassischer Hollywood Tradition, immer kurz nach dem Höhepunkt einer Szene ein Schnitt. Moderne Regisseure, wie Michelangelo zeigen jedoch die Szene noch länger, so daß der Zuschauer die ganze Nachwirkungspannung miterlebt. 


Eine der wichtigsten Regeln des Continuity Editing stellt das sogenannte 180° System dar. Wird beispielsweise eine Dialogsszene zwischen zwei Figuren gedreht, so bildet sich zwischen den beiden gegenüberstehenden Personen eine Linie. Die Kamera darf sich während des Gesprächs nur auf einer Seite der Linie befindet, egal wieviele Einstellungen gezeigt werden. Dadurch verleiht man dem Zuschauer räumliche Sicherheit und vereinfacht die Orientierung. 

Der Raum stabilisiert sich, da in den Einstellungen Teile des gezeigten Hintergrunds identisch sind. Desweiteren verdeutlicht es die verwendete Bildschirmaufteilung und das Geschehen Wenn man zwei sich gegenüberstehende Menschen von einer Seite der 180° Linie filmt, so schaut eine Figur nach rechts, die andere nach links. Filmt man eine der Figuren von einer Seite, die andere Figur von der anderen Seite, so schauen beide Personen in ein und die selbe Richtung. Das wäre für den Zuschauer verwirrend. Hält man sich allerdings an die 180° Regel, so fällt es dem Zuschauer leicht die Bezugspunkte zu erkennen und eine Schuß/Gegenschuß Aufnahme ist nachvollziehbar. Allerdings kann die 180° Linie auch bewußt überquert werden. Dies tritt zum Beispiel ein, wenn eine der gezeigten Figuren die Linie überquert oder wenn unmittelbar davor die Kamera eine Aufnahme nahe der Linie selbst macht. Außerdem kann sich der Zuschauer bei einer Überquerung der Linie anhand der match on action orientieren. Vollzieht eine Figur eine Handlung in beiden Einstellungen, verschafft dies dem Zuschauer eine gewisse zeitliche und räumliche Kontinuität. 

3.2 Zeitablauf bei Découpage Classique 

Der Zeitablauf beim Découpage Classique beruht vollkommen auf die Erzählfunktion der Montage. Dabei ist die plot time gleich der story time. Die Reihenfolge der Erzählung bleibt konstant. Das Continuity Editing geht davon aus, daß man filmisch, kontinuierliche Erzählweise nur erreicht, wenn die Szene zeitlich nicht unterbrochen wird. Zeitverschiebungen sind daher lediglich zwischen den Szenen möglich. Eine derartige Zeitraffung, wobei zwischen zwei Szenen ein Zeitsprung stattfindet, stellt einen Akt von zeitlicher vollständiger Aussparung dar. Zum einen ist so eine zeitliche Ellipse für die Story nicht von Bedeutung, sondern soll bloß das Erzählte auf das Wichtigste reduzieren. Andererseits benutzen Filmemacher Zeitsprünge um dem Publikum mitzuteilen, daß eine gewisse Zeitspanne verronnen ist. Auch dabei benutzt das Continuity editing eine derartige Schnittechnik für narrative Zwecke. Die Dauer einer Handlung wird selten gedehnt, meistens nur gerafft und alles was nur einmal passiert, wird nur einmal gezeigt.

4. Alternativen 

4.1. Montage des Autorenfilms 

Der Montagestil des Autorenfilms hatte seine Blütezeit in der nouvelle vaque. Man verstand die Montage nicht als Logik von Raum und Zeit, sondern als Logik von Gedankengängen. Dabei kam das Prinzip einer erzählerischen Argumentation auf, die narrativ kontinuierlich war und Gefühle oder Ideen zum Ausdruck brachte. Der subjektiven Identifikation des Publikums schenkte man besondere Aufmerksamkeit. Der Autorenfilm brach viele Hollywood-Regeln. Es entstanden ungewöhnliche, sprunghafte, unvollendete und assoziative Verbindungen zwischen den einzelnen shots. Dabei ging die Wirklichkeitsillusion des Films verloren. Vertreter, wie Jean Luc Godard, stellten keine neue Montageregeln auf, sondern brachen bereits aufgestellte im Sinne der Autorenfreiheit. 

4.2. Grafische und Rhythmische Alternativen 

Gegner der Découpage Classique sind der Meinung, daß es die Natur des Films zerstört, wenn man Dinge real wiedergibt. Im Gegensatz zum Continuity editingsoll sich der Zuschauer, bei Filmen von beispielsweise Sergei Eisenstein, bewußt werden, daß er einen Film sieht. Der Zuschauer soll miterleben, wie geschnitten wurde. 
In den Zwanzigern bevorzugten die französischen Impressionisten und die russische Avant-garde rhythmische Schnitte, anstelle der narrativen Schnittmethodik. Dabei werden Filmstücke aus unterschiedlichen Zeitabschnitten aneinandergereiht. Die grafischen und rhythmischen Schnitte können dadurch räumliche und zeitliche Dimensionen überschreiten, wobei das Narrative in den Hintergrund rückt. Dieser moderne Filmstil bietet dem Filmemacher deutlicher größeren Freiraum. Jean Luc Godard setzte in „A bout de souffle“ mehrmals inmitten einer Aufnahme einen jump cut ein. Das ist für den Betrachter äußerst verwirrend, denn dadurch wird die natürliche Bewegung unterbrochen indem man Teile des Films herausschneidet. Dadurch entstehen rhythmische Bild- und Zeitsprünge. Der „ungrammatische“ Montageaufbau begründetet eine neue Stilistik, welche heute für rhythmische Effekte eingesetzt wird. Richard Lester machte durch seine Filme „A hard days night“ und „Help!“ die schnellen jump cutspopulär, und prägte den zerstückelten Musikstil, der mittlerweile bei MTV zur Norm geworden ist. 

4.3. Räumliche und zeitliche Alternativen 

Auch die 180° Regel wird von alternativen Filmemachern gebrochen, wenn die Aktion nicht auf einer Linie, sondern auf einem Punkt liegt. Die Kamera kann dabei an jedem beliebigen Punkt stehen, praktisch eine „360°-Linie“ kreieren. Desweiteren scheuen sich die Regiseure nicht die Kameraachse um mehr als 30° zu verschieben, was dem klassischen Kino entgegensteht. Das führt zwar zur Desorientierung des Zuschauers, jedoch macht der nicht-fließend seichte Schnitt gerade den Charme dieser Filme aus. 
Bei einem nondiegetic insert schneidet der Regisseur vom Set zu einem Symbol oder einer Metapher die nicht zum davor gezeigtem Raum oder Zeit gehört. Dadurch gibt er dem Film häufig einen ironischen Kommentar. Sowohl der nondiegetic insert als auch der jump cut schwächt die narrative Kontinuität und stört unsere gewohnte Sichtweise. Man zwingt uns unsere Aufmerksamkeit auf die außergewöhnlichen Verbindungen zwischen den shots zu richten. Historisch dominierte diese alternative Schnittmethotik nie, allerdings liegt sie aus ästhetischer Sicht in keinster Weise hinter der Découpage Classique

4.4. Sergei Eisenstein 

Sergei Eisenstein gilt als einer der größten Pioniere der Filmgeschichte. Der moderne Renaisanceangehörige und Marxist hinterließ einzigartige Auswirkungen auf die Theorie und Praxis des Films. Er verstand die Montage als Art Zusammenprall zweier Bilder und deren Bilder und Impressionen, nicht als die bislang weitverbreitete seichte Verknüpfung. In seinen sieben vollendeten Filmen, indenen die Welt ideologisch beurteilt wird, erklärte er es zu seinem Ziel das Publikum von seiner gewohnten Sichtweise abzubringen und den Zuschauer zu schwierigeren Interpretationsvorgängen zu zwingen. Durch seine konstruierten Zusammenhänge, den Analogien und den Kontrasten, die auf eigentümliche Weise die Story zu interpretieren vermochten, schlug Eisenstein eine erstzunehemende Alternative zur Découpage Classique vor. Er formulierte eine komplett modernisierte Montagetheorie, wobei einzelne, unabhängige Einheiten von Attraktionen oder Eindrücke zusammengefügt eine neue Emotion im Zuschauer auslösen. Attraktion bedeutet für Eisenstein ein „selbständiges und primäres Konstruktionselement einer Aufführung“ und ist jedes aggressive Moment des Films, welches auf die Sinne der Zuschauer einwirkt. 1923 schrieb Eisenstein über die Montage der Attraktion in der Zeitschrift LEV. Damit kreierte Eisenstein eine vollkommen neue Montagetechnik und -schule, die auf psychischen Stimulation beruhte und nicht auf den narrativen Elementen. Er verwirklichte eine neue Möglichkeit mit dem Publikum in Kontakt zu treten, es zu manipulieren. Die Szene „The Odessa Steps“ zählt noch heute zu der einflußreichsten Montagesequenz. Das Massaker dauerte auf der Leinwand länger als es in Wirklichkeit dauern würde. Durch seine einzigartige Zusammensetzung von Metaphern, die im Resultat größere Bedeutung erhalten, als sie es in den einzelnen Shots beinhalten, wurde Eisenstein zu einem der einflußreichsten Filmemacher der Geschichte. „I awoke one morning and found myself famous“
Seine Dreieckstheorie bestand darin, daß wenn zwei Bilder aufeinanderprallen, ergeben sie beide zusammen eine größer Bedeutung und Wirkung als das die einzelnen Bilder einzeln oder beide einfach addiert möglich machen würden. Folgen zwei Einstellungen A und B aufeinander, so ist der Effekt den sie auslösen nicht zu sehen in der Wirkung der ersten Einstellung oder der zweiten, sondern daß der Effekt der Montage größere Bedeutung erhält, als die beide Bestandteile der Aneinanderreihung. Er verglich den Montageaufbau mit den Grundsätzen der Linguistik. Der Film erhält seine Bedeutung durch Aneinanderreihungen von Shots, wie der Satz durch Aneinandersetzen der Wörter seinen Sinn ergibt. Somit erstellt das Zuschauergehirn die Aussage der Montage indem er die einzelnen Shots in Verbindung setzt. Der Film besteht aus einem Vorgang, der ein Abstraktionskonzept schafft, welches Übung erfordert, um es zu erkennen. 
Die Intellektuelle oder Ideologische Montage stellte für Eisenstein die faszinierendste Montageart dar. Sie gibt direkte Statements und drückt abstrakte Ideen aus. Sie basiert auf die metaphorische Beziehung zwischen den visuell unterschiedlichen Inhalten der Shots. 

Damit bildete sich eine einzigartige Filmsprache heraus, die nicht mit narrativer Logik in Verbindung stand, sondern auf gedankliche Verbindungen basierte. Diese psychologische Manipulation nannte Eisenstein „dialectical montage“. Durch die Unabhängigkeit bezüglich räumlich, natürlichen Beziehungen zwischen den Bildern erhielt die dialectical montage symbolischen Charakter. Dadurch erreichte Eisenstein einen poetischen Aspekt der Filmsprache, den das narrative Schneiden Hollywoods nicht inne hatte. 

Literatur 

Aumont, Jaques;Bergala, Alain; Marie, Michel; Vernet, Marc: 
„Aesthetics of Film“ 
Texas, 1992 

Bordwell, David; Thompson, Kristin: 
„Film Art“ Third Edition, 
1990 

Cook, David A. : 
„A History of narrative Film“ 
W.W.Norton 1981 

Giesenfeld, Günther: 
„Geschichte des Films“ 
Marburg, 1980 

Hickethier, Knut 
„Film- und Fernsehanalyse“ 
Stuttgart 1993 

Kanzog Klaus, 
„Diskurs Film“ 
München 1997 

King, Christopher 
„Aesthetics and Psychology in the cinema“ 
London 1988 

Lohmeier, Anke-Marie 
„Hermeneutische Theorie des Films“ 
Tübingen 1996 

Mast, Gerald; Cohen, Marshall; Braudy, Leo: 
„Film Theory and Criticism“ Oxford Uni Press 
1992 

Miller, Toby & Stam, Robert 
„A Companion to Film theory“ 
Oxford 1999 

Monaco, James: 
„Film verstehen“ 
Hamburg, 1995

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