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„Die Präsentation der Dakota in dem Film

Dances with wolves

im Vergleich mit ethnologischen Quellen“

(2003) 

Vorbemerkung 

 

Ich verwende in vorliegender Arbeit die englischen Namen aus dem Film Dances with wolves. (z.B. Stands with a fist, Kicking Bird, etc.) Wenn ich die Figur meine, ist Dances with wolves in normaler Schreibweise gedruckt; wenn ich den Titel des Filmes meine, so ist dieser kursiv gedruckt (Dances with wolves). 

 

 

Einleitung 

 

In der vorliegenden Arbeit werde ich untersuchen, auf welche Art und Weise der Film Dances with wolves die Kultur der Dakota darstellt. Ich werde einzelne prägnante Episoden aus dem Film analysieren und mit verfügbarer Literatur vergleichen. Ziel der Arbeit ist es herauszuarbeiten, ob die Darstellung der Dakota in dem Film von Kevin Costner der Lebensweise der Dakota, wie sie von Ethnologen präsentiert wird, gerecht wird. 

Der Film Dances with wolves scheint auf den ersten Blick einer der wenigen Western zu sein, welcher die Indianer so präsentiert, wie sie gewesen sein könnten. Diese Eigenschaft weckte in mir als Filmwissenschaft- und Ethnologiestudent das Interesse zu untersuchen, inwieweit der Film dessen gerecht wird. Nachdem ich den Film zum ersten Mal in voller Länge gesehen habe, befürchtete ich, dass es schwer werden würde, dem Film eine fehlerhafte Darstellung der Kultur der Dakota nachzuweisen. Dies lag vor allem daran, dass sich der Film im Vergleich zu anderen Western mit viel Respekt der indianischen Kultur nähert. Nach dem Lesen der angegebenen Literatur und vor allem nach wiederholtem Sehen des Filmes zeigten sich jedoch nach und nach immer wieder neue Details in der Darstellung der Dakota, die kritisch zu betrachten sind. Vorab möchte ich erwähnen, dass ich in dieser Arbeit nicht alle Details benennen kann. Bei jedem wiederholten Sehen des Filmes entdeckte ich weitere Details, die erwähnenswert wären. Auf jedes davon hier einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Weiterführende Untersuchungen würden aller Wahrscheinlichkeit zusätzliche Details offenbaren. Ich beschränke mich hier auf folgende Schwerpunkte: 1) die Geschlechterdarstellung 2) den Umgang mit dem Tod und 3) den Umgang mit Gewalt. 

 

Zudem kommt, dass ich längst nicht alle zu den Dakota vorhandene ethnologische Literatur für diese Arbeit untersuchen konnte. Jede weitere Monographie über die zahlreich beforschten Dakota oder andere Feldforschungsergebnisse, die ich in die Untersuchung einfließen lassen könnte, würden in dem Film vermutlich zusätzliche kritische Punkte offen legen. Die vorliegende Arbeit präsentiert somit nur ein Zwischenergebnis. 

 

Im ersten Teil möchte ich kurz die Literatur kommentieren, die ich für meine Untersuchung verwendet habe. Der zweite Teil untersucht dann den vermeintlich äußeren Rahmen des Films: die Ebene des Sprachgebrauchs und den Einsatz des Kommentars. Ich werde versuchen darzustellen, inwieweit sich der Gebrauch des Kommentars auf die Darstellung der Dakota auswirkt. Im dritten Teil liefere ich dann eine Einschätzung über die inhaltlichen Aspekte der Darstellung der Dakota in dem Film. Hier werde ich Beispiele aus dem Film mit dem ethnographischen Quellenmaterial vergleichen. Im vierten und letzten Kapitel versuche ich darzustellen, durch wen dem Zuschauer die Kultur der Dakota vermittelt wird. Zum einen arbeite ich dabei die Funktion des Protagonisten heraus; zum anderen stelle ich einige Mechanismen des Filmemachers dar, welche sich auf die Darstellung der Indianer auswirken. 

1. Kommentar zu der ethnologischen Literatur

1.1. Begriffserklärung

 

Die in dem Film vorwiegend verwendete Bezeichnung (sowohl auf der Ebene des Kommentars als auch in den Untertiteln) der Bewohner der Region, welche Schauplatz des Filmes ist, ist Sioux. Dies ist ein Name, der den Dakota, Nakota und Lakota von benachbarten Ethnien gegeben wurde. Nach J.N.B. Hewitt ist das Wort Sioux französisch-kanadischen Ursprungs; es ist die Abkürzung von Nadowe-is-iw-ug, was so viel bedeutet wie „they are the lesser enemies“ und sich von dem Ojibwa-Schimpfwort Nadowessiwag (Schlange) ableitet. Die Eigenbezeichnung der im Film gezeigten Sioux ist Dakota (in der Literatur u.a. auch Dar-co-tar, Dacota, Dacotah, Daktotah, Dahkohtah). Manchmal bezeichnen sie sich auch Oceti sakowin, was soviel bedeutet wie Die sieben Ratsfeuer. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die prinzipielle siebenfache Unterteilung der Dakota, die wiederum in unterschiedliche Lokalgruppen (im englischen: bands) aufgeteilt sind. Zum Verständnis dieser Arbeit möchte ich nur erwähnen, dass ich die Bezeichnung Dakota der Fremdbezeichnung Sioux vorziehe, obwohl die meisten Ethnologen sich auf letzteres geeinigt haben. Der einzige Vorteil der Fremdbezeichnung scheint zu sein, dass er sich auf die Gesamtheit bezieht, sprich sowohl die Dakota, Nakota als auch die Lakota umfasst. Die östlichen Sioux werden Dakota genannt, die westlichen hingegen Lakota. Dies liegt laut Mary Crow Dog daran, dass dort, wo die Lakota ein „L“ sprechen, die Dakota ein „D“ sprechen. Die zentral gelegenen Sioux bezeichnen sich als Nakota. Da sich die Indianer in dem Film selbst Dakota nennen, habe ich diese Bezeichnung übernommen. 

 

 

1.2. Kommentar zu einem Ausschnitt der ethnologischen Quellen 

Als Hauptbezugsquelle möchte ich die Überlieferungen des Schwarzen Hirsches nennen. Schwarzer Hirsch war ein großer Häuptling und der letzte heilende Weise der Ogalalla (eine Untergruppe der Dakota). Er lebte von 1863 bis 1950. Die Erzählung seines Lebens, wie er sie dem Ethnologen John Neihardt berichtete, wurde wortwörtlich unter anderem in die deutsche Sprache übersetzt. Später berichtete er vor allem religiöse Geheimnisse der Ogalalla dem Ethologen Joseph Epes Brown, der diese Erzählungen ebenfalls wortwörtlich wiedergab. Schwarzer Hirsch ist somit in meinen Augen eine besonders wertvolle Quelle, da es ein Dakota selbst ist, der über seine Kultur berichtet. Studierte Ethnologen verzerren oft das Bild einer Kultur, wenn sie über diese informieren. Ich kann hier nicht auf die Gefahren eingehen, die sich ergeben, wenn man mit wissenschaftlichen Konzepten versucht fremde Kulturen darzustellen. Jedoch möchte ich Ruth Bendict erwähnen, die beklagte, dass die indianische Kulturen, sobald sie in wissenschaftliche Kategorien untergebracht werden „ein wildes Gemisch“ werden, dem Ordnung mangelt. Werner Müller klagt an, dass begriffliche Darstellungen der indianischen Kultur wesentliche Elemente der Kultur nicht erfassen können. Dokumentationen aus erster Hand unterliegen diesen Gefahren meines Erachtens nicht so stark. Hier treten andere Probleme auf, jedoch möchte ich diese hier nicht überbetonen. 

 

Neben den Erzählungen vom Schwarzen Hirsch gehe ich vor allem auf Royal B. Hassricks Werk Das Buch der Sioux ein. Die ethnologische Untersuchung versucht die gesamte Spannweite der Kultur zu erfassen. Er geht sowohl auf das soziale Zusammenspiel der Dakota, auf deren Wirtschaftsweise, ihre Religion und ihre Lebensweise ein. Für meine Untersuchung sind vor allem seine Beschreibungen des sozialen Lebensraumes und sein geschichtlicher Überblick von den Dakota von Bedeutung. 

 

2. Der Rahmen der Darstellung der Dakota in dem Film Dances with wolves 

2.1 Die Verwendung der Sprache 

Vorab kann festgehalten werden, dass sich der Filmemacher große Mühe gegeben hat, eine den Dakota selbst gerecht werdende Darstellung ihrer Kultur zu schaffen. Es tauchen viele Details auf, die darauf schließen lassen, dass sich der Filmemacher intensiv mit der Kultur der Dakota auseinandergesetzt hat. Diese Mühe spiegelt sich in dem gesamten Film wider. Die diesbezüglich zuerst auffallende Qualität des Films aus ethnologischer Sicht ist die Verwendung der Dakota Sprache. 

Heutzutage entstehen so gut wie gar keine ethnologischen Filme mehr in dem die Technik des voice-over zum Zwecke der Übersetzung verwendet wird. Die ethnologischen Filmemacher haben verstanden, dass die Art und Weise wie etwas von einem Menschen gesagt wird bedeutsam ist und dass es nicht nur darauf ankommt was die entsprechende Person sagt. Ein Kommentar ist stets ein starkes Eingreifen des Filmemachers auf die Wirkung des Films. Voice-over Elemente, die der Übersetzung dienen, verdoppeln die Gefahr des Kommentars zu einer Szene, in der nicht gesprochen wird: Die voice-over Technik während gesprochen wird bringt nicht nur diese massive Beeinflussung des Filmes mit sich, sondern beraubt auch den der spricht in seiner Wirkungskraft. Der berühmte Filmemacher Jean Rouch erkennt in Untertiteln die Lösung dieses Problems: „Titles and subtitles therefore appear to be the most effective means of escaping from the trap of commentary.“ 

 

Auch wenn diese Erkenntnisse längst in die Welt des ethnologischen Films Einzug genommen hat, so gilt dies noch längst nicht für den kommerziellen Spielfilm aus den USA. Der Filmemacher von Dances with wolves zeigte mit dem Einsatz der Dakota Sprache Respekt vor der Kultur und schuf gleichzeitig einen Hauch von Authentizität. 

 

Zudem setzt der Filmemacher den Gebrauch der Sprache besonders geschickt ein: Die Sprache wird dazu benutzt, den Zuschauer in die Welt der Dakota einzuführen. Die meisten Zuschauer sind der Sprache der Dakota nicht mächtig. Dieses Unwissen verbindet sie mit dem Protagonisten von Dances with wolves zu Beginn des Films, als er Probleme hat sich mit seinen neuen Bekannten zu verständigen. Im Verlauf des Filmes erlernt der Protagonist, der die eindeutige Identifikationsfigur des Filmes ist, die Sprache der Dakota. Das Erlernen einer fremden Sprache ist für Ethnologen eine der wichtigsten Voraussetzung, um tiefes Verständnis für die jeweilige Kultur zu gewinnen. Unter anderem zu diesem Zweck ist die Feldforschung, die fachspezifische Methode der Datengewinnung, meistens auf eine lange Zeit ausgerichtet. Während der Zuschauer den Film Dances with wolves betrachtet, verfolgt er, wie seine Identifikationsfigur die Sprache der Dakota erlernt. Die Identifizierung mit dem Protagonisten führt über den Weg des Sprachgebrauchs zu einer Annäherung an die Kultur der Dakota. In Kapitel 4 werde ich zeigen, dass nicht nur hinsichtlich des verbalen Ausdrucks die Identifikationsfigur des Films diese Rolle des kulturellen Vermittlers erfüllt, sondern auch welche Probleme sich daraus ergeben. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass es der Film diesbezüglich wunderbar schafft, dem Zuschauer das ihm Unbekannte zu vermitteln. Der Ethnologe und Filmemacher Ivo Strecker fordert von einem ethnologischen Film, dass er deiktisch erfolgreich sein muss: Jeder ethnografische Film habe „…die schwierige Aufgabe, bestimmte Dinge in einem zuerst unbekannten Zeigfeld zu zeigen. Im Idealfall gelingt es einem Film, den Zuschauer Schritt für Schritt in das Leben einer fremden Gesellschaft einzuführen…“ Auf sprachlicher Ebene wird Dances with wolves dieser Anforderung durchaus gerecht: Der Zuschauer erlebt mit, wie der Protagonist Schritt für Schritt die Dakotasprache erlernt. Am Ende des Films hat der Zuschauer selbst ein paar Worte Dakota gelernt. 

 

 

2.2. Der Einsatz des Kommentars 

2.2.1 Überblick 

Den Film durchzieht ein Kommentar, der die Tagebuchaufzeichnungen des Protagonisten darstellt. Die Ebene des Kommentars hat großen Einfluss auf die Wirkungsweise der Darstellung der Dakota. Wie bereits oben erwähnt nimmt der Protagonist die Rolle des kulturellen Vermittlers ein. Er beschreibt die für ihn fremde Kultur mit seinen Gedanken. Diese Gedanken bilden das Gerüst für das Bild, welches sich der Zuschauer von den Dakota macht. 

Es muss erwähnt werden, dass der Protagonist eine romantische Sicht auf die Dakota hat. Er beschreibt sie beispielsweise als wunderbar aussehend und in Harmonie lebend. Zwar hat der Film das Potential falsche Vorstellungen über die Dakota zu brechen: an einer Stelle erzählt der Protagonist, dass nichts von dem, was ihm über die Indianer erzählt wurde wahr sei. Dabei bezieht er sich auf Äußerungen, nach denen die Indianer wilde Räuber seien, was vielen Darstellungen in anderen Western entspricht. Jedoch schlägt die Darstellung gerade durch den Einsatz des Kommentars in das Gegenteil um, was zu einer Romantisierung führt. Durch den Kommentar werden Handlungen der Dakota erklärt und nicht selten verschönt. 

 

2.2.2 Beispiele für den Einsatz des Kommentars 

An einer Stelle rechtfertigt der Kommentar die Gewalt der Dakota: Sie kämpfen, um ihre Nahrung zu sichern und um Frauen und Kinder zu schützen. Es stimmt zwar, dass die Dakota ein starkes Familienbewusstsein haben und dieses Bewusstsein die Motivation zu kämpfen stärkt. Weiterhin haben die Dakota auch ein hohes Schutzbewusstsein gegenüber Hilflosen. Die Sicherung der Nahrung muss ebenso ein Grund gewesen sein, gegen Feinde zu kämpfen. Jedoch unterläßt es der Kommentar die andere kulturellen Elemente, die vielleicht für den Zuschauer schwieriger anzunehmen sind, zu erwähnen. Dabei sei vor allem die Sehnsucht der Männer, sich im Krieg als erfolgreich zu beweisen erwähnt. 

An einer anderen Stelle wird der Kommentar ähnlich eingesetzt: Nachdem die Dakota weiße Büffeljäger ermordet haben, sondert sich der Protagonist von ihnen ab und schläft ein wenig abseits. Im Angesicht dieses Ereignisses und des Festes spürt der Protagonist zwar wie zu keinem anderen Zeitpunkt die Distanz zu den Dakota und vermittelt dies auf der Ebene des Kommentars. Wenig später begründet er jedoch auch diese Tat mit dem Argument, dass das Volk verwirrt sei, da es Angst vor der Zukunft habe. Somit wird auch in diesem Fall die Gewalt (die wir nicht sehen) als Schutz vor den Feinden vermittelt. Die Situation ist so dargestellt, dass es dem Zuschauer so leicht wie möglich fällt, die Dakota trotz des Tötens der weißen Jäger weiterhin zu akzeptieren. Zum einen sehen wir weder die Tötung der Weißen noch die Leichen selbst und zum anderen trägt der Kommentar dazu bei. 

 

2.2.3 Die Wirkung des Kommentars 

Nun hat die Wahl, den Kommentar so stark einzusetzen zum einen den Effekt, dass sich der Zuschauer weniger ein Bild von den Dakota als viel mehr ein Bild von dem, was der Protagonist über die Dakota denkt vermittelt bekommt. Zum anderen hat der Film dadurch stärker das Potential, einem breiten Publikum die Kultur der Dakota näher zu bringen. Es fällt dem abendländischen Publikum gewohnheitsbedingt leichter, sich mit einem weißen Soldaten und dessen Ansichten zu identifizieren als mit einem Vertreter der Dakota. Somit stellt der Einsatz des Kommentars in meinen Augen einen Kompromiss zwischen dem Bedürfnis die Dakota, sich selbst darstellen zu lassen und dem Wunsch kommerziellen Erfolg durch erfolgreich erzeugte Nähe zu den Zuschauern dar. 

3. Inhaltliche Aspekte der kulturellen Darstellung 

3.1 Überblick 

Im nun folgenden Teil möchte ich die dargestellte Lebensweise der Dakota in dem Film Dances with wolves untersuchen. Dabei werde ich zum einen auf einige Beispiele des Films eingehen, und zum anderen werde ich die beabsichtigte Wirkung des Filmemachers beim Zuschauer herausarbeiten. Für die Beleuchtung des zweiten Aspekts werde ich mein besonderes Augenmerk auf die rhetorischen Mittel des Films legen. 

 Die inhaltliche Betrachtung der Darstellung der Dakota muß besonders differenziert beleuchtet werden. Aus filmhistorischer Sicht präsentiert der Filmemacher ein sehr authentisches Bild von der Lebensweise und den kulturellen Bräuchen der Dakota. Meines Wissens setzt sich kein anderer Western so gewissenhaft mit der indianischen Kultur auseinander wie Dances with wolves. Dass die Darstellung der Indianer in nahezu allen Western extrem ethnozentristisch ausfällt, soll hier nicht weiter aufgezeigt werden. Dances with wolves fällt dabei jedoch enorm positiv auf. Für dieses positive Auffallen möchte ich nun einige Beispiele nennen. 

 

 

3.2 Beispiele für authentische Darstellungen 

3.2.1 Die Darstellung der Geschlechterrollen 

 

Bereits die erste Szene in einem Dakotadorf vermittelt auf sympathische Weise die in ethnografischen Studien beschriebenen Rollenzuschreibungen der Geschlechter. Wir beobachten Stone Calf, der seine Frau darüber befragt, was die Frauen über das seiner Meinung nach merkwürdige Verhalten von Kicking Bird sagen. Seine Frau antwortet daraufhin etwas, was seine Neugierde nicht befriedigt. Sichtlich verärgert darüber fordert er seine Frau auf, das Fleisch gut durch zu kochen, da er Zahnschmerzen habe. Durch dieses erste kurze alltägliche Gespräch, vermittelt der Filmemacher bereits einige Wesenszüge der Gesellschaft der Dakota. Der Zuschauer erfährt, dass die Dakota eine stark ausgeprägte geschlechtliche Teilung der Gesellschaft erleben. Was die Frauen untereinander reden, ist dem Mann vorerst nicht zugänglich. Während diese Trennung auch ansatzweise in unserer Kultur existiert, so findet sie in vielen nichtindustriellen Gesellschaften stärkere Ausprägung. Dies spiegelt sich auch in der vorhandenen Literatur wider. Ein Beispiel hierfür ist die Ethnologin und Indianerin Beatrice Medicine, die feststellt, dass Dakotafrauen und Männer sehr unterschiedlich sozialisiert werden und in unterschiedlichen Welten aufwachsen. Auch Mary Crow Dog (ebenfalls eine Indianerin) betont die unterschiedlichen Lebenswelten von Männern und Frauen bei den Dakota. 
Der Zuschauer beobachtet bei der beschriebenen Einführungsszene in ein Dakotadorf außerdem, dass der Mann keine zufriedenstellende Antwort von der Frau erhält. Daraufhin fordert er enttäuscht ein gut gekochtes Essen. In diesem kurzen Dialog deutet der Filmemacher feinfühlig die Machtverteilung zwischen Mann und Frau an, wie sie in Dakota vermutlich häufig anzutreffen war. In vielen nicht-industriellen Gesellschaften ist der öffentliche Bereich den Männern zugeschrieben, während der private Bereich im Haushalt der Frau unterliegt. Bei Jäger-und-Sammler-Gesellschaften, was auch die hauptsächliche Wirtschaftsweise der Dakota war, sind es beinahe ausnahmslos die Männer, die jagen, und die Frauen, die sammeln und den alltäglichen Haushalt organisieren. Öffentliche Ämter liegen fast immer in den Händen der Männer, wodurch es in ethnologischen Untersuchungen häufig zu Andeutungen kommt, dass die Männer mächtigere Rollen erfüllen als Frauen. Differenziertere Betrachtungsweisen (die häufig von Ethnologinnen stammen) widerlegen dies, indem sie beispielsweise betonen, dass die Frauen im häuslichen Bereich weit mehr Entscheidungsrechte haben als Männer. Im nicht öffentlichen Bereich, der für Untersuchungen, die diesem Bereich keine Beachtung schenken, unsichtbar ist, üben Frauen häufig eine stille Macht aus. Diese weibliche Möglichkeit der Durchsetzung des eigenen Willens vermittelt die angesprochene Szene auf prägnante Art. 

 

Des Weiteren sei zu erwähnen, dass Dances with wolves die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau ohne für mich erkennbare Fehler darstellt. In dem Film sehen wir Männer in den Krieg und auf die Jagd ziehen. Im Gegensatz dazu sind Frauen im Film – wie in der ethnographischen Literatur – für den gesamten häuslichen Bereich zuständig: sie verarbeiten Tiere, holen Wasser, kochen, kümmern sich um die Kinder und bauen die Häuser auf und ab. 

 

3.2.2 Brautwerbung 

Der Film gibt die Situation des um die Brautwerbens annähernd der Literatur entsprechend wieder. Schwarzer Hirsch berichtet über den vom Brautwerber zu zahlenden Brautpreis. Die Frauen, so Schwarzer Hirsch, wünschen wie eine Dame gekauft zu werden. Im Film wird deutlich, dass Dances with wolves nicht genügend materielle Güter hat, die er Kicking Bird zahlen kann, um seine Adotivtochter zu erkaufen. Daraufhin erlebt er erfreut, wie Mitglieder aus dem Dorf ihm Geschenke bringen, die er als Brautpreiszahlung verwenden soll. Diese Hilfsbereitschaft erwähnt der Protagonist in seinen Tagebuchaufzeichnungen als ehrenhaft. Schwarzer Hirsch beschreibt dass es eine Ehre für einen Dakota sei, den Hilflosen behilflich zu sein. Auch Hassrick schreibt von dem Wunsch, sich möglichst großzügig zu zeigen, da dieses Verhalten zu Ansehen führt. „Je mehr einer geben konnte, desto größer war sein Ansehen.“ Dieses Verhalten der Dorfbewohner im Film spiegelt also ein Ideal der Dakotakultur wider. Auch das Verhalten von Dances with wolves ist dementsprechend, wie eine Brautpreiszahlung in der Literatur widergegeben wird. Er stellt nach der Anweisung seiner Dakota Freunde alle Brautpreiszahlungen vor das Zelt von Kicking Bird und wartet darauf, dass Kicking Bird die Zahlungen akzeptiert, indem er sie in sein Zelt räumt. Robert M. Utley beschreibt den entsprechenden Vorgang wie folgt: „…he [der um die Braut wirbt – Anm. d.Verf.] deposited as much personal wealth as he could afford, usually in ponies, in front of the tepee of the girls father. “ Dass es bei der Werbung weniger um den materiellen Aspekt als um den Beweis geht, dass der Bewerber zu etwas taugt, so wie es Schwarzer Hirsch beschreibt, kommt allerdings in dem Film nicht heraus. Die Sicht auf dieses kulturelle Verhalten ist in dem Fall nur ein Blick auf das oberflächige Verhalten der Dakota. 

 

3.2.3 Verbale Äußerungen von Trauer 

 

Das laute Schreien der Frauen in dem Film bei Ankunft der Krieger, die mit Verstorbenen zurückkehren, scheint dem Ausdruck von Trauer in Wirklichkeit zu entsprechen. Schwarzer Hirsch berichtet davon, dass die Frauen auch während der Schlacht lautes Geschrei ausübten. Über die Standarisierung dieses Trauerverhaltens sagt Schwarzer Hirsch (sein Vetter war im Krieg verstorben): 

„Als wir am Morgen das große Lager erreichten, stimmten meine Verwandten die Klage um meinen Vetter Schwer-zu-treffen an. Sie legten einander gegenseitig die Arme über die Schultern und wehklagte laut während des ganzen Tages, und ich muße es ebenso tun. Ich ging umher und rief „howuh, howuh“…. Zwar hatte ich meinen Vetter recht gern gehabt, doch war mir nicht so zumute, daß ich den ganzen Tag hätte weinen mögen, aber das mußte ich nun, und es war eine anstrengende Aufgabe.“ 

 Die lauten Schreie der Trauernden scheinen somit reales kulturell normiertes Verhalten der Dakota widerzuspiegeln.

 

3.2.4 Weitere Beispiele für den detaillierten Blick in Dances with wolves 

Der Film präsentiert zweifelsohne viele Aspekte der Kultur der Dakota, die dem entsprechen, wie sie in der ethnografischen Literatur wiedergegeben werden. Im folgenden Teil wird ein kleiner Ausschnitt dieser Aspekte dargestellt. 

 Im Film beobachten wir drei Jungen, die versuchen das Pferd von Dunbar zu stehlen. Dies tun sie, um ihren Mut zu beweisen. Sie sagen, dass man über sie Lieder singen werde und dass man sie auf Raubzüge mitnehmen werde. Schwarzer Hirsch berichtet über die Sehnsucht der Jungen, die Erlaubnis zu erhalten mit in den Krieg ziehen zu dürfen und ihre Art auf eigene Faust auszuprobieren, was sie gesehen haben. Im Vergleich zu den eher zurückhaltenden Darstellungen der Sehnsucht der Männer (siehe weiter unten), sich im Krieg zu beweisen, erscheint mir die Darstellung der Sehnsucht der Knaben der Literatur entsprechend. 

 Viele Elemente welche die Konfrontation der Weißen mit den Dakota zeigen finden Entsprechungen in der Literatur. Wir werden in dem Film Zeuge, wie die Dakota wahrnehmen müssen, dass weiße Jäger unzählige Bisons nur wegen ihrer Felle und Zungen getötet haben. Die daraus resultierende Verärgerung findet sich auch in der Literatur wieder. Schwarzer Hirsch beschreibt sein Unverständnis über derartiges Verhalten: „Da könnt ihr sehen, daß die Menschen, die solches taten, nicht bei Verstand waren.“ 

 Das Miterleben von sexuellen Praktiken von Mitgliedern einer Familie, wie es Dances with wolves erfährt, wird entsprechend in der Literatur erwähnt: Es „…fanden sich immer Gelegenheiten zu heimlichen Beobachtungen sexueller Dinge, wenn eine Familie in einem Tipi lebte.“ 

 Die Möglichkeit sich ein zweites Mal zu verheiraten existiert in vielen nicht-industriellen Gesellschaften nicht. Beim Betrachten des Filmes, indem Stands with a fist sich relativ schnell wieder vermählt, stellte sich mir die Frage, ob dies bei den Dakota so üblich wäre. Utley belehrte mich über die Korrektheit dieses Aspektes: „Divorce, while uncommon, was equally simple [im Vergleich zur Heirat – Anm. d.Verf.] and accomplished without ceremony.“ Hasrick bezeichnet im Gegensatz zu Utley Scheidungen sogar als alltäglich. 

 Die betonte Familienzugehörigkeit, wie sie Stands with a fist in Angesicht des Verlustes ihres Ehemannes erfährt, wird von Hassrick bekräftigt: „Ein einzelner konnte seine Eltern, seinen Ehepartner oder seine Kinder verlieren, aber er konnte kaum seine Familie verlieren.“ 

 

 

3.3 Kritikpunkte 

3.3.1 Selektive Genauigkeit in der Darstellung 

3.3.1.1 Selektives Interesse für die Geschlechter 

Die zuvor beschriebene authentische Darstellung von den Beziehungen zwischen Mann und Frau muß hier relativiert werden. Auch wenn der Film bezüglich der Geschlechterunterschiede keine fehlerhaften Aussagen über das soziale Alltagsgeschehen trifft, so vermittelt er dennoch ein Bild, das es zu kritisieren gilt. Diese Kritik läßt sich vielleicht am besten am Beispiel der Jagd erläutern: Wir sehen wie die Männer mit großer Aufregung in die Jagd ziehen, begleitet von spannungserzeugender Musik. Die Jagd wird in schnellen Schnitten als ein aufregendes Erlebnis präsentiert – was es ohne Zweifel auch gewesen sein muss. Nachdem die Jagd vollendet ist, die wie gesagt ausschließlich von Männern durchgeführt wird, verliert der Filmemacher das Interesse für den weiteren Fortgang. Nur bruchstückweise in einem flüchtigen Schwenk wird gezeigt, dass nun die Frauen bedeutsame und mühselige Arbeit verrichten müssen. Nur für wenige Augenblicke beobachten wir die Frauen, wie sie zum Beispiel die Felle gerben. In der Realität war das Gerben „…ein mühsames Verfahren, das eine Frau bis zu zehn Tage lang in Anspruch nehmen konnte.“ Durch die Präsentation im Film bekommt der Zuschauer eine männerzentristische Sichtweise vermittelt. Den Aufgaben der Frauen wird in diesem Punkt deutlich zu wenig Beachtung geschenkt. Dies mag vor allem daran liegen, das das Gerben der Felle bei weitem nicht so aufregend zu fotografieren ist wie das Jagen mit Pfeil und Bogen. 

 

3.3.1.2 Selektive Gewaltdarstellungen 

Derartige selektive Darstellungsweisen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Präsentation der geschlechtsspezifischen Rollenunterschiede. Sie durchziehen den gesamten Film in nahezu allen Sequenzen. In dem Film üben die Dakota zwar Gewalt gegen die Pawnee und gegen die weißen Soldaten aus, jedoch wird diese als Verteidigungsmaßnahme gerechtfertigt. In der ethnografischen Literatur ist immer wieder zu finden, dass die Dakota den Krieg als Normalzustand ansehen und dass er als einfachste Möglichkeit gesehen wurde, um an Prestige zu kommen. Utley schreibt beispielsweise: „The highest values of the Tetons [eine Untergruppe der Dakota – Anm. d.Verf.] centered on war. For a young man, succes in a battle offered the surest and quickest path to prestige, wealth, and high rank.“ Hassrick sieht den Krieg als den Ansporn zum Selbstausdruck für Männer. Zudem schätzt er die Dakota aufgrund ihrer zahlreichen grandiosen Siege über mächtige feindliche Stämme als hochmutig, arrogant und eitel ein. Auch Schwarzer Hirsch berichtet an einigen Stellen über die aggressive Umgangsweise seines Volkes. Selbst die Frauen, so Schwarzer Hirsch, ermunterten mit lautem Getriller ihre Männer zum Weiterkämpfen. Utley nennt die Bewunderung für im Krieg erfolgreiche Männer von seitens der Frauen einen Ansporn, der Wunder bewirkt. „Es ist besser, auf dem Schlachtfeld zu sterben als alt zu werden“ war nach Hassrick ein Hauptgrundsatz der Dakota. Dieser in der Literatur vermittelte Eindruck, dass die Dakota ein durch und durch kriegsliebendes Volk sind, spiegelt sich in dem Film Dances with wolves nicht wider. Im Film werden die Dakota als Opfer von Angriffen dargestellt, nicht als kriegstreibende Kraft. Gewalt geht von den Dakota nur dann aus, wenn sie sich verteidigen müssen. Bei dem Erwecken dieses Eindruckes spielen vor allem das selektive Präsentieren von Gewalt und der verwendete Kommentar eine Rolle. 

 

3.3.2 Aussparungen in der Darstellung 

3.3.2.1 Überblick 

In Kapitel 2.2 erwähnte ich bereits die romantisierende Wirkung des Einsatzes des Kommentars. In diesem Kapitel möchte ich die stark romantisierende Wirkung des Aussparens von kulturellen Elementen der Dakota untersuchen. 

 

3.3.2.2 Waffen 

 Der Film spielt um 1863. Die Dakota haben im Film wenig Kenntnis über Schusswaffen der Weißen. Fast komisch wirkt der ungekonnte Einsatz der Waffen, welche der Protagonist den Dakota zur Gegenwehr gegen die ankommenden Pawnee gibt. Hassrick berichtet im Gegensatz dazu, dass die Dakota zum Teil bereits seit 1700 mit Gewehren ausgerüstet waren. Weiter schreibt er: „Der französische Händler Jean Baptuiste Truteau bemerkte 1794 die Angst, die man vor den Sioux hatte, weil sie Gewehre besaßen.“ Zwar gehen die Daten auseinander bezüglich des Zeitpunktes, jedoch scheint sicher, dass die Dakota etwa zum gleichen Zeitpunkt mit Schusswaffen versorgt waren, als sie auch „Nutzen aus einem zunehmenden Pferdebestand ziehen konnten.“ Der Filmemacher erzählt jedoch von guten Reitern, die den Umgang mit Gewehren nicht verstehen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Film spielt, galten die Dakota allerdings aufgrund der Einführung eines bereits neuen Gewehrtyps als gefährliche Gegner: „… [G]egen die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts machte die Einführung der Hinterlader-Repetiergewehre den Siouxkrieger zum berühmtesten Kavalleristen der Welt.“ Die Zeit um 1800 ist laut Hassrick die Zeit in der die Dakota auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren, auch weil sie auf das Pferd und die Schusswaffen zurückgreifen konnten. 

Die Dakota werden durch die selektive Darstellungsweise einer ethnologischen Phase entsprechend als edle Wilde präsentiert. Zwar gibt es Elemente, die von dem Bild der unschuldigen Kultur abweichen (z.B. der Mann, der den gefundenen Soldatenhut nicht wieder an den Besitzer zurückgeben will), aber Elemente, welche die Sympathie der Zuschauer für die Dakota ablenken könnten, werden ausgeblendet. Ohne Schusswaffen wirken die Dakota wesentlich friedlebender und weniger bedrohlich. Dieses rhetorische Element der Aussparung führt zu einer vereinfachten Annäherung zwischen den Dakota und den Zuschauern. 

3.3.2.3 Der Umgang mit dem Tod 

In dem Film fügt sich Stands with a fist, nachdem sie von dem Tod ihres Mannes gehört hat, Wunden zu. Derartige Trauerdarstellungen scheinen kulturell normiert zu sein. Hassrick schreibt darüber: Männer steckten sich „…Pflöcke durch Arme und Beine, und die Frauen brachten sich Schnitte an den Gliedmaßen bei und trennten oft sogar das erste Glied ihrer kleinen Finger ab. Dann schritten zuerst die Männer und dann die Frauen einzeln feierlich um den Lagerkreis, weinten dabei und klagten und sangen von ihrem Schmerz.“ Des Weiteren schreibt er über Frauen, die sich drei Wunden mit Messern in ihre Schenkel schnitten. Die Selbstverstümmelung ist laut Hassrick in das rituelle Fest der Beerdigung eingebettet. Die Verstümmelungen finden kollektiv statt. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass Trauernde derartige Praktiken auch allein durchführen, jedoch deutet das Aussparen des kollektiven Ereignisses auf ein weiteres Beispiel für die selektive Darstellung hin. 

Kollektive Selbstverstümmelungen haben vermutlich für die Mehrzahl der Zuschauer fremdartigeren Charakter als die Betrachtung einer einzelnen Frau, die sich Wunden zufügt. 

 Die aussparende Präsentation sei auch in diesem Zusammenhang erwähnt: In dem Film wird nicht gezeigt, auf welche Art die Dakota ihre Leichen beerdigen, wenn sie es denn tun. Den ethnographischen Quellen zufolge wurden wenig einflussreiche Dakota in einem flachen Grab beerdigt. Die meisten Männer und Frauen fanden jedoch in ein Bündel gewickelt auf einem Baum oder einem Gerüst ihre letzte Ruhestätte. Bei diesem Ereignis wurde das Lieblingspferd getötet, da es den Mann oder die Frau begleiten sollte. Diese für die meisten Zuschauer fremdartig wirkende rituelle Handlung spart der Film völlig aus. Meines Erachtens geschieht dies, weil es sonst befremdend wirkt und den Zugang zu dem Verhalten der Dakota erschwert. 

 

3.3.3. Erweiternde Darstellung 

3.3.3.1 Hochzeit 

In Kapitel 3.2.2 beschrieb ich als authentische Darstellungen das Werben des Protagonisten um Stands with a fist. Abweichungen treten in den Beschreibungen über den weiteren Hochzeitsverlauf statt. Während in dem Film eine Zeremonie stattfindet, an der Kicking Bird die beiden mit einander traut, indem er sie auf die Aufgaben der Ehe vorbereitet, existiert nach Utley eine solche Zeremonie nicht. Er schreibt: „If the suitor was accepted, the girl moved in with him without further formality. No ceremonies or vows sanctified the contract.“ Auch hier liegt meiner Meinung nach die Vermutung nahe, dass diese Zeremonie eingeführt wurde, um das Verhalten der Dakota nachvollziehbarer werden zu lassen. Die Zeremonie, die in dem Film gezeigt wird, hat vor dem Hintergrund von Utleys Aussage sehr abendländischen Charakter. Die Hochzeit der Dakota wird mit dem Hochzeitsverhalten des Kinopublikums gemischt, um kulturelle Barrieren zwischen beiden zu minimieren. 

 

3.3.3.2 Kinderwunsch 

Ähnlich wirkt das präsentierte Verhalten von Kicking Bird auf den geäußerten Wunsch, dass die beiden frisch Verheirateten sich ein Kind wünschen. Er fragt daraufhin, ob sie nicht damit warten wollen. Der kulturelle Hintergrund der Zuschauer entspricht dieser Frage weit mehr als dem angestrebten Ideal der Dakota. Nach Hassrick war die Rolle der Frau eindeutig: „Es gab keine Unklarheit über die Rolle der Frau, und Mutter zu sein und für eine Familie zu sorgen, war das höchste Ziel. Tatsächlich scheint es kein anderes annehmbares Muster für weibliche Existenz gegeben zu haben. … Die Wahrscheinlichkeit der Mutterschaft wurde überhaupt nicht in Frage gestellt; sie war selbstverständlich.“ Auch wenn Hassricks Formulierung zu hinterfragen ist, so scheint die gestellte Frage von Kicking Bird doch eine Szene zu schaffen, in die der Filmemacher offensichtlich seinen kulturellen Hintergrund hat einfließen lassen. Somit verfremdet der Filmemacher die Bedeutung der Zeugung von Nachkommen bzw. die Rolle der Frauen. 

 

3.3.3.3 Beerdigungsmuster 

Zweifelhaft ist, ob sich die Dakota die Mühe machen, in der Schlacht gefallene nach Hause zu transportieren, so wie es im Film gezeigt wird. Schwarzer Hirsch sagt, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, sich einfach hinzulegen und zu sterben ohne von seiner Verwandtschaft gesehen zu werden. An anderer Stelle sagt er, dass es keine Bedeutung habe, wo sich eine Leiche befinde: „Es ist gleichgültig, wo sein Körper liegt, denn er ist Gras; wo aber sein Geist ist, da ist gut sein.“ Hassrick trägt zu dem Zweifel bei: „Als Holy Circle im Kampf getötet wurde, ließ man seine Leiche auf dem Schlachtfeld zurück, denn es war gut, unbestattet in feindlichen Gebiet zu bleiben.“ 

Letzten Endes ist es natürlich nicht auszuschließen, dass die Dakota gelegentlich im Krieg gefallene nach Hause bringen, es weicht jedoch von dem Verhalten ab, welches die Regel ist. Dieses Abweichende Verhalten dient im Film der Dramaturgie. Das laute Trauern der Ehefrau des verstorbenen Mannes wird für den Zuschauer verständlicher. Das Zurückbringen scheint somit ein rhetorisches Mittel zu sein, welches das Verhalten der Dakota (im speziellen der trauernden Frau) dem Zuschauer leichter zugänglich machen soll. 

 

 

4. Die Vermittlung der Dakotakultur 

4.1 Der Protagonist als Kulturvermittler 

 

Zuvor beschrieb ich bereits die Bedeutung des Protagonisten als Kulturvermittler auf der Ebene des Kommentars und der verwendeten Sprache. Im nun Folgenden möchte ich auf weitere Elemente eingehen, mit denen der Protagonist als rhetorische Figur zum Zwecke der kulturellen Vermittlung zwischen dem Kinopublikum und den Dakota dient. 

Schwarzer Hirsch beschreibt die tiefe Erfurcht, die die Dakota vor der Erde und der Natur haben. Müller spricht von einem „religiös begründeten Naturschutz“, Peter Bolz von dem harmonischen Leben mit der Natur. DeMaille und Parks benennen die Zusammengehörigkeit von Mensch und Natur: „Humankind existed not outside nature, but as part of it.“ Auf seiner Reise zu seinem Posten in dem Dakotagebiet beginnt der Protagonist bereits Kontakt mit der Natur aufzunehmen und diese dem Zuschauer zu vermitteln. Er steigt von seinem Pferd und ist sichtlich von dem Gras fasziniert. Er streicht mit seiner Handfläche über die Grasspitzen, auf dieselbe Art wie wir später auch die Dakota sehen können. Noch verunsichert ihn diese Nähe zur Natur, da er verschreckt davon reitet, als sich das Gras plötzlich zu bewegen beginnt. Dem Zuschauer wird dieses Gefühl durch Atemgeräusche, nahe Kameraeinstellungen und schnelle Schnitte ebenfalls vermittelt. Zu Beginn seines Aufenthaltes in Fort Sedwick erschrickt Dunbar vor den Geräuschen von 

seinem Pferd. An vielen Stellen wird dem Zuschauer mit rhetorischen Elementen nahe gelegt, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Als die Dakota kommen, um sein Pferd zu stehlen, sehen wir nur die bedrohlich wirkenden Hufe der wild galoppierenden Pferde. Dunbars Pferd springt vor Angst in seinem Stall umher. Die Bedrohung für Dunbar wird dem Zuschauer durch bedrohliche Reize auf der Bild- und Tonebene vermittelt. Es folgt eine Identifikation mit dem Protagonisten. Zudem ist der Protagonist in vielen Szenen allein, was eine Identifizierungsalternative ausschließt. 

Ein weiteres Beispiel für die Distanz zwischen dem Protagonisten und der Natur ist der Augenblick, in welchem Dunbar die ermordeten Hirschen im Teich findet. Hier wirkt der Einsatz von Nahaufnahmen und Heranzoomen in Kombination mit dem Schnitt-Gegenschnittverfahren zwischen Dunbars Gesicht und den verwesenden Hirschen beunruhigend. Im weiteren Verlauf findet Dunbar jedoch seinen Platz in der Natur und wird verstärkt zum Teil von ihr. Deutlichstes Zeichen hierfür ist die Annäherung an den Wolf. Hierbei sei vor allem die Szene erwähnt, in welcher der Wolf Dunbar zum ersten Mal aus der Hand frisst. Diese Annäherung an die Natur in Kombination mit der eindeutigen Absicht, mit Dunbar dem Zuschauer die einzige Identifikationsfigur zu liefern, führt zu einer Vermittlung des Aspektes der Naturverbundenheit der Dakota. 

 

Weitere Vermittlerfunktionen erhält der Protagonist durch seine Assimilation mit der Kultur der Dakota. Im Verlauf des Films ändert Dunbar nicht nur seinen Namen und seine Kleidung, er verlässt sogar sein berufliches Aufgabenfeld und nimmt zunehmend an dem Alltagsleben der Dakota teil. Da die Zuschauer vom ersten Augenblick (als Dunbar die Stiefel über die verwundeten Füße zieht) mitfühlen und sich im Verlauf des Films mit Dunbar identifizieren, kann man von einer gezielten Assimilation des Zuschauers sprechen. Der Zuschauer wird über Dunbar in die Welt der Dakota eingeführt. 

 

4.2 Der Filmemacher als Vermittler 

 

In dem Film Dances with wolves vermittelt der Filmemacher über den Protagonisten das Bild der Dakota. In dem Film findet keine kritische Auseinandersetzung mit den Ansichten des Protagonisten statt. Der Film begleitet den Protagonisten von Anfang an und versucht ständig, ihn als absolute Identitätsfigur darzustellen. Der Film wird somit zu einer sehr persönlichen Geschichte des Protagonisten. Da sich der Filmemacher entschlossen hat, eine solch persönliche Geschichte zu berichten, ist ihm nicht an einer objektiven Darstellung der Dakotafigur gelegen. Ohne Zweifel schafft der Film über eine persönliche Nähe zu dem Protagonisten eine Vermittlung dessen Sichtweise auf die Dakota; den Dakota selbst wird diese Sichtweise jedoch nur bedingt gerecht. Kulturelle Elemente welche die Sichtweise des Protagonisten differenzierter werden lassen könnten oder die Identifikation mit dem Protagonisten von Seiten des Publikums erschweren könnten werden entweder ausgespart oder verschönigt. Ziel des Filmemachers, so läßt sich schlussfolgern, ist es die Wahrnehmung des Zuschauers mit der Wahrnehmung des Protagonisten gleich zu schalten. Der Filmemacher vermittelt ein Bild der Dakota, in welches sich die Zuschauer verlieben sollen, so wie sich der Protagonist in Dakota verliebt hat. Ziel ist für die Dauer des Films eine Assimilation mit der indianischen Kultur im Zuschauer zu assoziieren. Dieses Ziel scheint dem Filmemacher wichtiger gewesen zu sein, als das Ziel zu verfolgen die Dakota so darzustellen, wie sie gewesen sind. 

 

 

Schlussbemerkung 

Ich habe in vorliegender Arbeit einige Elemente des Films mit der Literatur über die Dakota verglichen. Besonders berücksichtigt habe ich dabei die Darstellung des zwischengeschlechtlichen Zusammenlebens und den Einsatz von Gewalt. 

Ziel vorliegender Arbeit war es herauszuarbeiten inwieweit die Präsentation der Kultur der Dakota der Wiedergabe in der ethnografischen Literatur entspricht. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Filmemacher sich mit für Western ungewöhnlich großem Respekt der Kultur annäherte. Es lassen sich viele detaillierte Elemente finden, die darauf rückschließen lassen, dass sich der Filmemacher eingehend mit der indianischen Kultur befasst hat. 

 

Zu kritisieren ist vor allem die benutzte selektive Darstellung mit dem für mein Empfinden offenkundigen Ziel, dem Kinopublikum ein Bild von den Dakota zu liefern, welches sie gerne haben. Elemente die befremdend auf die Zuschauer wirken könnten werden an auffallend vielen Sequenzen weggelassen. Ergebnis ist eine romantische Darstellung, die von der Präsentation in der Literatur abweicht. Der zweite Hauptkritikpunkt liegt in der teilweise auftretenden ethnozentristischen Darstellungsweise. Handlungen der Dakota werden zum Teil vom kulturellen Hintergrund des Filmemachers (und/oder des Zielpublikums) gefärbt. 

 

 

Literatur 

 

Bolz, Peter 
1986. Ethnische Identität und kultureller Widerstand. Die Oglala-Sioux der Pine Ridge-Reservation in South Dakota. 
Frankfurt/New York: Campus Verlag. 

Crow Dog, Mary 
1994. Lakota Women. Die Geschichte einer Sioux-Frau.
München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG. 

DeMallie, Raymond J.; Parks, Douglas R. 
1987.
 Sioux Indian Religion. Tradition and Innovation. 
Norman: University of Oklahoma Press. 

Densmore, Frances 
1992.
 Teton Sioux Music and Culture
Lincoln and London: University of Nebraska Press. 

Epes Brown, Joseph 
1996. Schwarzer Hirsch: Die heilige Pfeife. Das indianische Weisheitsbuch der sieben geheimen Riten. 
Göttingen: Lamuv-Verlag. 

Fischer, Hans 
1998.
 Was ist Ethnologie? 
In derselbe: Ethnologie – Einführung und Überblick S.3-20. 
Berlin: D. Reimer Verlag. 

Hassrick, Royal B. 
1982.
 Das Buch der Sioux. 
Köln: Eugen Diederichs Verlag. 

Käser, Lothar 
1997. Freme Kulturen – Eine Einführung in die Ethnologie für Entwicklungshelfer und krichliche Mitarbeiter in Übersee. 
Erlangen: Verlag der Envang.-Luth. Mission und 
Bad Liebenzell: Verlag der Liebenseller Mission. 

Ludwar-Ene, Gudrun 
1993.
 Geschlechterbeziehung.
in Schweizer, Thomas; Schweizer, Margarete; Kokot, Waltraud (Hsg.): Handbuch der Ethnologie. 
Berlin: D. Reimer Verlag. 

 

Medicine, Beatrice 
1987. Indian Women and the Renaissance of Traditional Religion
in: DeMallie, Raymond J.; Parks, Douglas R. (Hrsg.) 1987 Sioux Indian Religion. Tradition and Innovation. S.159-171. 
Norman: University of Oklahoma Press. 

Müller, Werner 
1970.
 Glauben und Denken der Sioux. Zur Gestalt archaischer Weltbilder
Berlin: Dietrch Reimer Verlag. 

Neihardt, John 
1982. Schwarzer Hirsch: Ich rufe mein Volk: Leben Visionen und Vermächtnis des letzen großen Sehers der Ogakakka-Sioux. Authentische Aufzeichnung des Indiander-Forschers John Neihardth. 
Bornheim: Lamuv-Verlag. 

Rouch, Jean 
1995.
 The Camera and Man
in Hockings, Paul (Hrsg.) 1995: Principles of visual anthropology. S.79-98 
Berlin : Walter de Gruyter & Co. 

Strecker, Ivo 
1987.
 Deixis und die nichtprivilegierte Kamera 
in Husmann, Rolf (Hrsg.) Mit der Kamera in fremden Kulturen. Aspekte des Filmens in der Ethnologie und Volkskunde. S.37-48 
Emschetten: Gehling 

Utley, Robert M. 
1963. The last days of the Sioux Nation. 
New Haven and London: Yale University Press. 

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